Was ist der innere Kritiker?
Gut für dich: der Innere Kritiker als Richter
Schlecht für dich: der Innere Kritiker als Ankläger
(leider häufig der Fall)
- Elterliche Erziehung: Wenn Eltern sehr kritisch oder perfektionistisch sind, übernehmen Kinder oft diese Einstellungen. Ständige Kritik oder das Setzen unrealistischer Erwartungen kann dazu führen, dass du diese äußeren Stimmen verinnerlichst und zu deinem Ankläger personifizierst.
- Schulische Erfahrungen: Negative Rückmeldungen, Mobbing oder übermäßiger Leistungsdruck in der Schule prägen dein Selbstbild und können dazu führen, dass der Ankläger übermächtig wird.
- Gesellschaftliche Normen und Medien: Unrealistische Standards für Aussehen, Erfolg und Verhalten können dazu führen, dass du selbst zu deinem Ankläger wirst, weil du diesen Standards nicht gerecht wirst.
Kann man die Ausbildung des inneren Kritikers ins Negative verhindern?
Welche Formen gibt es?
- Der Perfektionist: Er setzt dir unrealistisch hohe Standards und kritisierst jede kleine Abweichung. Du hast 99% deiner Aufgaben erledigt, aber sein Augenmerk richtet sich auf das 1%.
- Der Pessimist: Er sieht immer nur das Schlechte und erwartet das Schlimmste. Du reichst einen Vorschlag bei der Arbeit ein und er ist überzeugt, dass er abgelehnt wird, noch bevor du eine Rückmeldung bekommst.
- Der Vergleichende: Er vergleicht dich ständig und mit Vorliebe unfair mit anderen und sorgt dafür, dass du dich immer schlechter fühlst. Als Anfänger in einer neuen Kompetenz hält er dir die Leistungen langjährig praktizierender Experten vor die Nase.
Was sind die Folgen?
Der Ankläger trägt aus deiner Lebensakte alle Beispiele zusammen, in denen du versagt hast, überfordert warst oder dich im Nachgang schlecht gefühlt hast. All das Gute, was aus Neuem entstanden ist, deine Erfolge, dein Mut, deine Stärke – das hat er gekonnt im Beweislager verloren.
Das führt unweigerlich zu:
- niedrigem Selbstwertgefühl
- Angst und Depression
- Vermeidung von Herausforderungen
- Aufgeben
Was ruft den Ankläger auf den Plan?
- Du hast deinen Ängsten freie Bahn gelassen, sodass sie die Kontrolle übernehmen konnten.
- Du fühlst dich an eine ähnliche negative Situation von damals erinnert.
- Dein Selbstbewusstsein hat den Gruppenchat verlassen. Dann haben Selbstzweifel, Negativität und Unsicherheit leichtes Spiel.
Enttarne den Ankläger! Sobald die innere Stimme pessimistisch ist, hol dir den Richter an die Seite. Denn egal, wie dramatisch die Aufführung des Anklägers – der Richter sieht nur mit den Augen der Rationalität. Dazu gehört es, die Nachteile UND die Vorteile deiner Situation zu analysieren.
Am Ende gilt: im Zweifel FÜR die Stärke des Angeklagten, nicht dagegen!
Akutmethode: Gedankenstopp
Sobald du den Ankläger sprechen hörst, versuchst du ihn zu unterbrechen. Leider gibt es dafür keine Schritt-für-Schritt-Anleitung. Da hilft nur radikale, kognitive Gewalt. Nämlich: Hastig die Scheibe einschlagen, den Notfall-Mute-Knopf drücken und die Stimme zum Schweigen bringen.
(Für alle Fans von True Crime: es gäbe da noch die Metapher mit der Scheibe und der Axt…)
Gleich vorweg: es wird wahrscheinlich nicht bei dem Einmaldrücken bleiben! Drücke so oft, wie es nötig ist!
Sobald die Stimme kurz schweigt, wende dich dem Richter zu, der dir diese Fragen stellt:
- Wann hattest du in einer ähnlichen Situation schon mal Erfolg?
- Warum kannst du es schaffen?
- Wie kann es gut ausgehen?
- Was sind dafür die nächsten Schritte?
Und wenn du gedanklich schon dabei bist, nimm den Körper dazu und schreibe dir alles auf! Formuliere deinen Schritte-Plan aus, so weißt du später genau, was du zu tun hast.
Und Zack: bist du wieder aktiv, in der Handlung, in deiner Autorität!
Weitere Methoden zur Reduzierung des inneren Kritikers
Selbstmitgefühl üben: Kristin Neff, eine Expertin für Selbstmitgefühl, gibt den Rat: „Selbstmitgefühl bedeutet, sich selbst die gleiche Freundlichkeit und Unterstützung zu bieten, die man einem guten Freund entgegenbringen würde.“ (Neff, Selbstmitgefühl: Wie wir uns mit unseren Schwächen versöhnen und uns selbst der beste Freund werden, 2016)
Vergänglichkeit wahrnehmen: Wenn negative Gefühle auftauchen, nimm sie wahr, ohne an ihnen haften zu bleiben. Distanziere dich von den Sätzen, kämpfe weder dagegen an noch versuche ihnen zu folgen. Lass sie „einfach passieren“ und ihrer Wege ziehen. Schenke ihnen keine Bedeutung.
Erfolge Revue passieren lassen: Schwelge regelmäßig in positiven Erinnerungen. Singe selbst deine Lobeshymne. Mache es dir zur Gewohnheit, deine Stärken zu loben. „Eigenlob stinkt“ ist sicher eine Erfindung des inneren Kritikers. Sei stolz auf deine echten Stärken. Solange du auch zu deinen Schwächen stehen kannst, schreie deine Erfolge von allen Dächern! So baust du dir Selbstbewusstsein auf, um dem Ankläger standhalten zu können.