Wissenschaftliche Grundlagen
Personenzentrierter Ansatz nach Rogers & Selbstbestimmungstheorie nach Deci und Ryan
Meine Sicht auf das Wesen des Menschen und seine Handlungsweisen folgt den Grundannahmen von Rogers sowie Deci und Ryan. Basierend auf meinem humanistischen Menschbild sehe ich die Ausrichtung des Menschen auf Entwicklung und Wachstum als von Natur aus gegeben an. Ich folge Deci und Ryans Theorie, dass die “Herkunft der motivationalen Handlungsenergie” neben physiologischen Bedürfnissen und Emotionen maßgeblich durch das Streben nach Autonomie, Eingebundenheit und Kompetenz (Deci, Ryan, 1993, S.229) bestimmt wird.
Dieses Streben resultiert allerdings in einem Wachstumswunsch, der im Menschen unweigerlich eine Trennung des eigenen Ichs in ein Real-Selbst und ein Ideal-Selbst herbeiführt. Dabei ist das Real-Selbst eine realistische Vorstellung der eigenen Eigenschaften, Fähigkeiten und Bewertungen. Das Ideal-Selbst, angeregt durch des Menschen inhärenten Drang sich zu entwickeln, sind all die Eigenschaften, Fähigkeiten und Bewertungen, die er gerne zusätzlich oder stattdessen wäre. (Rogers & Schmid, 1991, S.133) Zwei Zustände werden unterschieden: (Rogers, 1973)
- Kongruenz: Real-Selbst und Ideal-Selbst stimmen weitestgehend überein. Der Mensch nimmt Herausforderungen an, wächst an ihnen und integriert die neuen Erfahrungen in sein Selbstkonzept. Diese Flexibilität des Selbstkonzeptes lässt den Menschen anpassungsfähiger auf die Umgebung und die Umstände reagieren und führt zu vermehrt positiven Erfahrungen. Diese bestärken das Selbstkonzept und verhelfen wiederum zu einer zuversichtlichen Einstellung gegenüber Herausforderungen.
- Inkongruenz: Real-Selbst und Ideal-Selbst klaffen zu weit auseinander. Daraus resultiert Angst und Zweifel. Der Mensch meidet Herausforderungen, da er sich durch sein unsicheres Selbstkonzept ohnmächtig fühlt. Statt Veränderungen anzunehmen, blockiert er sie und nimmt sich so die Erfahrung von Wachstumserfolgen. Das führt dazu, dass die Kluft zwischen Real-Selbst und Ideal-Selbst weiter bestehen bleibt und der Mensch seinem Drang nach Wachstum nicht nachgehen kann und durch Veränderungen in der Umwelt immer wieder zurückgeworfen wird.
Ein Mensch mit einem kongruenten Selbstbild bezeichnet Rogers nach Geider als “fully functioning person”. (Geider, 1997, S.27) Die Übereinstimmung des Real-Selbst mit dem Ideal-Selbst befähigt den Menschen dazu, mithilfe einer kontinuierlichen Anpassung an neue Situationen durch alle Lebenslagen hindurch sein Selbst zu verwirklichen. Nach meiner Ansicht ist diese Flexibilität in der Reaktion auf innere und äußere Einflüsse sowie die Integration neuer Zustände der Schlüssel zur Findung der oben bereits angesprochenen Strategien.
Als fully functioning person ist man demnach in der Lage aus sich heraus verschiedene Strategien zur eigenen Bedürfnisbefriedigung zu finden und diese immer wieder aufs Neue in seinem Inneren Team zu kultivieren und so allen Herausforderungen selbstwirksam zu begegnen.
Positive Psychologie nach Seligman
“Die Art, in der Sie negative Dinge zu erklären suchen, beschränkt sich nicht allein auf die Worte, die Sie äußern, wenn etwa schiefgeht. Vielmehr handelt es sich um tiefsitzende Muster, die Sie in der Kindheit und Jugend erlernt haben. Ihre Erklärungsmuster hängen direkt mit Ihrer Ansicht darüber zusammen, welchen Platz Sie auf dieser Welt haben – ob Sie denken, Sie seien wertvoll und verdienen etwas Gutes, oder Sie seien wertlos und hätten keine Hoffnung. An Ihren Erklärungen kann man erkennen, ob Sie ein Optimist oder ein Pessimist sind.” (Seligman, 2001, S. 71)
Ich sehe hier Seligmans Beschreibung eines Optimisten als nötige Voraussetzung, um Rogers fully functioning person auszubilden.
Die Attributionstheorie unterscheidet drei Erklärungsmuster: (Seligman, 2001, S. 72-85)
- Dauerhaftigkeit:
etwas wird optimistisch als zeitweilig oder pessimistisch als dauerhaft beschrieben. - Geltungsbereich:
Situationen werden optimistisch spezifisch oder pessimistisch global betrachtet. - Personalisierung:
Zuschreibungen sind optimistisch external oder pessimistisch internal.
In meinem Coaching gilt es also eine solche Attribution zu fördern, um dem Klienten die bestmögliche Voraussetzung zur Erfüllung eines kongruenten Selbst zu schaffen.
Demzufolge entspricht die Einstellung einer fully functioning person meiner Ansicht nach folgenden Zuschreibungen:
- Situationen werden im aktuellen Moment betrachtet und nicht als für immer anhaltende Wirklichkeit definiert oder gar als wiederkehrendes, unvermeidliches Muster verinnerlicht. Das bedeutet, dass jede Situation stets änderbar bleibt und man somit immer aktiv und selbstwirksam eine Änderung herbeiführen kann.
- Zustände werden nicht generalisiert. Es wird immer nur der Rahmen betrachtet, in dem sich ein Zustand befindet. Das ist wichtig, um die Ausmaße der Zustände sinnvoll einschätzen zu können. Ähnlich wie bei dem Reframing geht es auch hier um die Einnahme der richtigen Perspektive und die Fokussierung auf das Konkrete statt das Allgemeine.
- Zuschreibungen von Fähigkeiten und Bewertungen werden differenziert gemacht. Mit differenziert meine ich: eine realistisch-optimistische Analyse der Einflüsse eigener Fähigkeiten sowie der äußeren, nicht kontrollierbaren Umstände. Eine solche optimistische Sichtweise, die die äußere Realität miteinbezieht, unterstützt das Selbstwertgefühl und steigert die eigenen Erwartungen auf künftige Erfolge.
In meinem Coaching gilt es also eine solche Attribution zu fördern, um dem Klienten die bestmögliche Voraussetzung zur Erfüllung eines kongruenten Selbst zu schaffen.
Hypnosystemischer Ansatz nach Schmidt
Gunther Schmidts hypnosystemischer Ansatz stellt dem Selbstkonzept nach Rogers und der Attribution nach Seligman den geeigneten Nährboden, um Veränderungen zu bewirken. Schmidts Integrationskonzept aus systemischem Ansatz und Erickson’schen Hypno- und Psychotherapie zeichnet ein Bild eines sich selbst organisierenden Systems, das zwar von äußeren Beziehungssystemen beeinflusst wird “aber dennoch sein Erleben völlig autonom in seiner inneren, strukturdeterminierten Selbstorganisation bestimmt.” (Schmidt, 2020, S. 9)
Diese Sichtweise zahlt in die Bedeutung der Selbstwirksamkeit ein, womit, meiner Ansicht nach, im Vergleich zur klassischen systemischen Theorie viel stärker der Schwerpunkt auf die Schöpferkraft des Menschen gelegt wird durch Eigenanstrengung seine Limitationen zu meistern. Das Erleben wird als Assoziationsnetzwerk beschrieben, das heißt eine Verknüpfung aus wiederkehrenden Mustern.
“Unter „Muster“ wird dabei verstanden die Verkoppelung, Assoziation, Vernetzung von diversen so genannten Elementen des Erlebens. Damit sind z. B. gemeint Kognitionen, Verhaltensbeiträge, die Art der Kommunikation, emotionale Reaktionen, aber auch physiologische Reaktionen wie Atmung, Körperhaltung etc., ebenso Faktoren wie Ort, Zeit, Beteiligte einer Situation etc.” (Schmidt, 2020, S. 7ff)
Die Muster sind jedoch nicht stabil, denn sie werden immer dann aktiv, wenn sie getriggert werden. Veränderung ist demnach nichts anderes als das Triggern anderer Musterbestandteile. (Schmidt, 2020, S. 8) Diese Darstellung deckt sich auch mit der neurowissenschaftlichen Forschung, die Verhalten als eine Reiz-Reaktion-Belohnungsabfolge definiert, die zur Gewohnheit geworden ist.
In meinem Coaching unterstütze ich die Klienten dabei, ihre interaktionellen und intrapsychischen Musterdynamiken aufzudecken, um durch eine Störung ihres bisherigen Assoziationsnetzwerks Veränderungen in dem Ablauf von Reiz-Reaktion-Belohnung auszulösen.
Quellen:
Deci, E. L.; Ryan, R. M.: Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik – In: Zeitschrift für Pädagogik 39, 1993, 2, S. 223-238
Geider, F.: Die Messung therapeutischer Allianz. Dimensionierung und Konstruktvalidierung einer deutschen Version der California Psychotherapeutic Alliance Scales (CALPAS), Heidelberg, 1997.
Rogers, C. R.: Die klient-bezogene Gesprächstherapie, München, Kindler, 1973.
Rogers, C. R.,; Schmid, P. F.: Person-zentriert: Grundlagen von Theorie und Praxis, Mainz, Grünewald, 1991.
Schmidt, G.: Einführung in die hypnosystemische Therapie und Beratung, Heidelberg, Carl-Auer, 2020.
Seligman, M. E. P.: Pessimisten küsst man nicht: Optimismus kann man lernen, München, Droemer Knaur, 2001.